Steuergerechtigkeit in Deutschland

Reiche appellieren: «Nehmt unser Geld!»

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Günter Grzega will dem Fiskus gerne mehr geben: Mehr Einkommensteuer, Teile seines Vermögens und auch mehr für angelegtes Kapital. «Vermögende zahlen in Deutschland viel zu wenig», sagt Grzega, langjähriger Vorstandschef der Sparda-Bank München.

Dabei denkt Grzega nicht zuerst an Steuersünder wie Uli Hoeness oder anstössige Steueroasen in Europa oder der Karibik. «Reiche zahlen zu wenig, selbst wenn ihr Geld in Deutschland liegt und sie alles ehrlich versteuern.»

Grzega ist einer von 63 reichen Deutschen, die sich in der «Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe» zusammengeschlossen haben - einer Gruppe von Bürgern mit über 500.000 Euro Vermögen. Sie alle finden ihre Besteuerung ungerecht. «Diese Einstellung wird populärer», sagt Grzega, der gerne das Wort «Steuern» in «Gemeinwohl-Abgabe» ändern will. «Dann ist viel klarer, worum es geht: Dem Staat zu ermöglichen, Gemeinschaftsaufgaben zu erfüllen.»

Vermögen breiter streuen

Weil Reiche daran zu wenig beteiligt seien, müssten Städte um Kitaplätze und Bäder bangen. «Es schadet auch den Reichen, wenn der soziale Unfrieden wächst und das Bildungssystem zusammengekürzt wird. Jeder Reichtum basiert auch auf der guten Arbeit Angestellter», sagt Grzega. «Eine Gesellschaft, in der das Vermögen gleichmässiger verteilt ist, funktioniert einfach besser.»

Die Vermögensungleichheit in Deutschland nimmt seit Jahren zu, wie verschiedene Studien zeigen. Nach der aktuellsten Untersuchung der Bundesbank besitzen die reichsten zehn Prozent der Haushalte 59 Prozent des gesamten Privatvermögens. Gleichzeitig mussten Vermögende in den vergangenen zehn Jahren weniger Steuern zahlen: Die Vermögenssteuer wurde 1996 abgeschafft, der Spitzensteuersatz unter Rot-Grün von 53 auf 42 Prozent gesenkt. Dass auf die Gewinne aus Geldanlagen pauschal nur 25 Prozent ans Finanzamt gehen, hält Thomas Eigenthaler, Chef der Gewerkschaft der Finanzbeamten, für eine «starke Privilegierung der deutschen Kapitalbesitzer».

Wahlkampfthema

Steuern einzusparen, sei zu lange als Sport betrachtet worden, sagt Günter Grzega. «Die gesellschaftlichen Folgen waren kein Thema.» Das ändert sich gerade, beobachtet er. «Aus unserer Forderung ist eine Bewegung entstanden.»

Das findet auch «Umfairteilen» - ein Bündnis aus Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Nichtregierungsorganisationen (NGO), das im April bundesweite Protestaktionen für eine höhere Reichenbesteuerung organisierte. «Steuergerechtigkeit wird zum Wahlkampfthema», sagt Christian Woltering vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. «Noch vor wenigen Jahren konnten Parteien mit Steuersenkungsversprechen punkten. Jetzt haben drei Parteien Pläne zu einer Reichensteuer vorgelegt.»

Für «Umfairteilen» ist diese alternativlos. «2020 tritt die volle EU-Schuldenbremse in Kraft. Nimmt der Staat dann nicht mehr ein, muss er soziale Aufgaben streichen», sagt Woltering. Nur ein Prozent Steuer auf Vermögen über eine Million würde dem Staat pro Jahr rund zehn Milliarden Euro einbringen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung errechnet. «Müllabfuhr, Flughäfen, gut ausgebildete Menschen und sozialer Frieden - das nutzt allen», sagt Woltering. «Aber dafür muss das Geld umverteilt werden.»

«Milde Gaben» vermeiden

Freiwillig funktioniert das nicht, glaubt Günter Grzega. Stiftungen und Spenden könnten nur eine Ergänzung von sozial eingestellten Vermögenden sein. «Es wäre eine Rückkehr ins Feudalsystem des Mittelalters, wenn Nicht-Vermögende auf milde Gaben der Reichen angewiesen sind, die sie nach Lust und Laune verteilen.»

Seine Initiative fordert eine einmalige Vermögensabgabe von zehn Prozent, aufgeteilt auf zwei Jahre und anschliessend eine jährliche Vermögenssteuer von einem Prozent ab einem Vermögen von 500.000 Euro. «Die einmalige Abgabe würde etwa 150 Milliarden Euro erbringen, die jährliche Steuer 15 bis 20 Milliarden.»


Autor: Miriam Bunjes
Quelle: Epd

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